Vasilii Fedorov
Consultant
K: Wie bist du auf die Idee gekommen, eine Konferenz zu besuchen?
V: Das wollte ich tatsächlich schon länger machen. Ich habe in meiner Karriere entweder kleine lokale oder online Konferenzen besuchen können. Eine große Veranstaltung mit tausenden Teilnehmern aus der ganzen Welt, mit verschiedensten Themenblöcken und bekannten Personen war schon lange auf meiner Wunschliste.
K: Wie viele Teilnehmer genau?
V: Über 11.000.
K: Die Konferenz heißt WeAreDevelopers. Warum ist sie so besonders?
V: Das ist eher ein Weltkongress, wenn man auf Größe und Umfang schaut. Das ist die größte Veranstaltung für Entwickler mit mehr als 300 Vortragenden. Es werden technische und wissenschaftliche Insights ausgetauscht, neue Ideen in der IT vorgestellt und die Entwicklung von Zukunftstechnologien diskutiert. Ich würde behaupten, dass diese Konferenz einzigartig in ihrer Art ist.
K: Da die Konferenz so speziell ist, ist es wahrscheinlich schwer einen Platz zu bekommen?
V: Man muss wirklich darauf aufpassen, dass man Tickets möglichst früh kauft. Für die Konferenz WeAreDevelopers 2024 kann man sie schon kaufen (Link). In meinem Fall habe ich mir die Eintrittskarte 6 Monate vor dem Event gesichert. Ansonsten gibt es keine Voraussetzungen.
K: Wo wurden denn 11.000 Menschen untergebracht?
V: Den Besuchern und Speaker stellten die Organisatoren zwei große Gebäude bei der Berliner Messe zur Verfügung. Genauer gesagt waren das CityCube Berlin und die Halle 2 der Messe. Da wurden mehrere große und kleine Bühnen mit Sitz- und Stehplätzen aufgestellt. Auf dem ganzen Gelände standen hunderte Stände, an denen sich verschiedene Firmen und Startups vorstellten. Da konnte man neue Erfindungen und Apps selbst ausprobieren und natürlich Feedback geben. Die Konferenz dauerte insgesamt zwei Tage, nämlich den 27. und 28. Juli. Also hatte man genug Zeit, um ein breites Spektrum an Informationen zu sammeln.
K: Verstehe. Es kann anstrengend sein, viele Informationen auf einmal aufzunehmen und im Kopf zu behalten. Hatten die Organisatoren sich darum auch gekümmert?
V: Absolut. Es gab eine App für die Konferenz, in der man alles Nötige schnell nachgucken konnte. So zum Beispiel konnte ich in der App das ganze Programm einsehen. Oder auch die Karte des Events, mit Markierungen wo welche Veranstaltungen gerade stattfinden. Man kann sich diese App als ein kleines soziales Netzwerk vorstellen, denn man konnte sich auch mit den anderen Teilnehmern verbinden. Also eine ganz nützliche App. Außerdem hatte jeder Teilnehmer eine Teilnehmerkarte mit dem persönlichen QR-Code. Wenn man einen Stand besuchte, scannten die Kollegen den Code. So hatte man in der App seine eigene Besuchshistorie vor Augen.
K: OK. So weit war das sehr organisatorisch. Lass uns gerne über die Veranstaltung selbst sprechen. Was war dein persönliches Highlight bei der Messe?
V: Für mich war das die Eröffnungsrede von Sir Tim Berners-Lee, dem Erfinder des WorldWideWebs. In meiner Studienzeit hatten die Professoren seinen Namen immer in Ehre gehalten. Und allgemein wird er in der Informatik-Welt als Wissenschaftler, wie auch als Mensch, sehr geachtet. Mithin war das ein bedeutsames Erlebnis für mich. Mit Sir Tim Berners-Lee gingen wir auf die Geschichte des WWWs ein: Von dem Web 1.0 mit den statischen HTML-Seiten, in dem man nur mit Links interagieren konnte, und dem Web 2.0 mit der Entfaltung sozialer Netzwerke, bis zum „Semantic Web“ wie es sich im Web 3.0 wiederfindet. Die modernste technologische Entwicklung passiert aktuell im Bereich der Künstlichen Intelligenz, so der Speaker. Es stellt sich die Frage, wie geht man mit KI und ML sicher um? Sir Tim Berners-Lees Hinweis lautete: Man sollte die KI immer in einer eingeschränkten Umgebung, der so genannten Sandbox, laufen lassen, sodass sie nicht auf die anderen Bereiche eines Systems zugreifen kann. Nur dadurch kann die Sicherheit und Zuverlässigkeit einer Applikation mit KI-Lösung gewährleistet werden.
K: Künstliche Intelligenz ist gerade wirklich ein heißes Thema. Gibt es noch andere, die sowohl Unternehmer als auch Kunden heutzutage stark beschäftigen?
V: Auf einer anderen Bühne wurde das Thema NonCarbon Web diskutiert. Laut dem Speaker fragen die Kunden immer öfter nach IT-Lösungen, die klimaneutral sind. Als Beispiel: Das Internet produziert rund 4 Prozent der globalen CO2-Emissionen. Das heißt, jeder Klick auf einer beliebigen Website produziert CO2, worüber man sich früher gar keine Gedanken gemacht hat. Heute fragt man sich, an welcher Stelle die Abgase freigelassen werden. Das ist dort, wo sich der Server der Website befindet. Dieser läuft dann rund um die Uhr, damit die Seite verfügbar bleibt. Andererseits sind die Endgeräte eine wesentliche Quelle des CO2. Smartphone, Tablet oder PC: Alle drei haben wiederum einen signifikanten Stromverbrauch. Jedenfalls muss der CO2-Fußabdruck reduziert werden. Das kann auf drei Arten passieren: Man kann die CO2-Emissionen reduzieren, indem man ein grünes Hosting wählt. Die Anbieter von so einem Hosting kaufen den Strom, der aus erneuerbaren Energiequellen generiert wird. Oder man steigert die Performance der Website. Erzielt wird das durch Nutzen kleinerer Formate für Bilder, zum Beispiel WebP, durch Ausschalten der automatischen Videowiedergabe oder durch Nutzen einer Dark Theme in der Website. Schließlich kann man noch den CO2-Fußabdruck kompensieren, indem man Klimaschutzprojekte finanziell unterstützt.
K: Good to know! Welches Wissen könnte ich aber jetzt schon in meinem aktuellen Projekt nutzen?
V: Ganz spannend fand ich den Talk zu dem Thema Future Proof Architecture. Der Speaker behauptete, dass so eine Architektur eine Utopie ist und nicht angestrebt werden sollte. Die Aussage lautete: Man kann nur limitiert in die Zukunft schauen. Man wird nie die Architekturanforderungen im Voraus wissen, die erst in einem Jahr auftauchen werden. Im schlimmsten Fall ergibt sich ein so genannter Big Ball of Mud: Ein System ohne erkennbares Architekturmuster. Solche Systeme sind auch heute oft anzutreffen. Dazu kommt es aus unterschiedlichen Gründen: Ausübung starken Drucks auf Entwicklung durch den Kunden und Business, ständiger Personalwechsel und Codeentropie. Idee vom Speaker: man arbeitet in Iterationen! Das heißt die Modelle, die man implementiert, sind nicht ideal, sondern sie entwickeln sich. Im Laufe des Projekts lernt man über die Wissensdomäne immer was dazu. Das könnte die Basis für die Architekturänderungen sein. Man braucht viel Mut und Entschlossenheit, aber das Resultat lohnt sich. Der Speaker ging auch auf den Begriff Domain Driven Design ein. Das ist nichts anderes als ein Entwurfsparadigma, das aus den Geschäftsprozessen und Agenten Domänen und Modelle ableitet. Man kann DDD als Bindeglied zwischen dem Kundengeschäft und Programmcode verstehen. Das Paradigma beschleunigt den Entwicklungsprozess in einem für den Entwickler unbekannten Geschäftsumfeld. DDD kann in den Projekten verwendet werden, wo Schwierigkeitsgrad und Komplexität hoch sind. Das erleichtert den Projektablauf und das Anforderungsmanagement.
K: Konnten auch Consultants etwas von der Konferenz mitnehmen?
V: Es fand eine Podiumsdiskussion bezüglich der Anstellung neuer Kollegen im Unternehmen statt. Laut dem Speaker sollte sich der Arbeitgeber bei der Vorbereitung des Bewerbungsgesprächs zwei Fragen stellen: „Was sind die Kosten der Anstellung für mich und für das Unternehmen?“ und „Wie weiß ich in 12 Monaten, dass ich eine richtige Person angestellt habe? Was sind die Kriterien der erfolgreichen Auswahl?“ Der Statistik zufolge kostet eine nicht besetzte Stelle dem Unternehmen im Durchschnitt 5000 Euro pro Tag. Wenn man aber den folgenden Regeln folgt, findet man schnell passendes Personal: Lange Interviewprozesse vermeiden, 3 bis 4 Bewerbungsgespräche im Idealfall durchführen, die Kommunikation muss vertrauensvoll und simpel sein. „Do not play with other people’s lifes“, so der Speaker.
K: Ein kritisches Thema für jede Firma. Was noch wichtig ist, ist die Motivation der Mitarbeiter. Mich persönlich motivieren die Erfolgsgeschichten der Menschen, die in meiner Branche tätig sind. Was treibt dich an?
V: Das, was ich von den anderen lernen und mitnehmen kann. Auch die tugendhaften Gewohnheiten anderer Menschen, die mich in meiner Profession weiterbringen. Dazu gab es einen Talk, nämlich zu der Erfolgsstory von SpaceX und dem Geschäftsführer Elon Musk. Wir schauten uns die Entwicklung der Company an und leiteten daraus die Grundprinzipien und Regeln ab, die SpaceX zum Erfolg geholfen haben. Nummer Eins heißt: „Be safe to fail“. Jedes Projekt begleiten Fehler und Misserfolge. Bleibt ruhig, wenn etwas schiefläuft, und lernt aus der Situation. Unser größter Ruhm ist nicht, niemals zu fallen, sondern jedes Mal wieder aufzustehen. Nummer Zwei: „Be coherent“. Oder auf Deutsch: Bleibt konsistent. Besonders wichtig ist dieses Prinzip in der Softwareentwicklung. Jeder nächste Schritt muss auf den vorigen Erkenntnissen aufgebaut werden. Sprünge im Projektverlauf führen zu Missverständnissen und Chaos. Man sollte deswegen erst sicherstellen, dass ein Artefakt oder Codestück gewolltes Verhalten hat und richtig funktioniert, bevor man vorwärts schreitet. Nummer Drei: „Get fast feedback“. Der SpaceX Chef versucht überall Feedback zu holen und gibt immer den Raum für Diskussion. So hatte er letztens eine Exkursion auf die SpaceX Startplattform für breites Publikum durchgeführt, während der er darauf hingewiesen wurde, wie die Raketenform verbessert werden könnte. Nur einige Wochen später startete eine neue Rakete mit der Formänderung von der SpaceX Facility in Texas. So sollten wir uns auch an Kundenfeedback und Erfahrungen orientieren und das Produkt entsprechend anpassen. Dabei können uns agile Methoden helfen, zum Beispiel SCRUM.
K: Wir nutzen SCRUM in unserem Projekt auch. Prima! Neben der Karriere hat man auch das Privatleben. Hast du auch ein paar Insights dazu?
V: Ein Sprecher setzte sich mit dem Thema „Brain Power“, und wie man es boostet, auseinander. Zitat: „Wir haben eine limitierte Kapazität an kognitiven Fähigkeiten an einem Tag“. Das bedeutet, man muss diese Kapazität bewusst ausgeben. Der Speaker berichtete über eine Gehirn- und Intelligenzstudie, in deren Rahmen untersucht wurde, wie man die Gehirnleistung steigert. Die Ansätze waren unterschiedlich. Anfangs probierte man Gehirntraining aus: Kleine Logik-Aufgaben und Übungen wurden zusammengestellt und den Probanden gegeben. Die Methode zeigte nur leichte Steigerung der Produktivität. Sie wäre lediglich in dem Fall nützlich, wenn man immer ähnliche Probleme lösen muss. Dann kamen die „Smart Drugs“ und Medikamente zum Einsatz. Gleicherweise war das Ergebnis nicht beeindruckend. Bei dem weiteren Ansatz stimulierten die Wissenschaftler den Kopf mit 1-2 mA Strom. Das hat aber wenig geholfen. Nach vielen Versuchen stellten die Forscher fest: Ein bemerkbares Leistungswachstum erzielt man nur dann, wenn man Kurzzeitgedächtnis und Langzeitgedächtnis verbindet. Dadurch schafft man ein optimales Niveau der Gehirnaktivität und Gehirnleistung. Also, Neuronen- und Wissensverbindungen im Gehirn sind die Basis für eine hervorragende Leistung. Solche Verbindungen werden erzeugt, wenn man sich mit neuen komplexen Aufgaben befasst und frühere Erfahrung dafür nutzt. Diesen Effekt kann man beobachten, wenn man in einem Problem ein Pattern erkennt und dadurch schneller zur Lösung kommt. Darüber hinaus kann man die Produktivität verbessern, indem man sich bewusst auf eine Aufgabe konzentriert. All das kann aber nur gewährleistet werden, wenn man dem Gehirn genug Erholung und Ruhe gibt.
V: Die Konferenz hat mir ganz gut gefallen. Freie Auswahl von zahlreichen Talks und die Möglichkeit, sich mit den anderen Kollegen auszutauschen, ist das, was diese Konferenz ausmacht. Wenn jemand im Leben noch keine vergleichbar große Veranstaltung besucht hat, kann ich das bedenkenlos empfehlen. Man erhält technische Insights und erlebt auch ein Abenteuer. Wirklich großartig gemacht!