Unser Vorgehen bei der Verprobung
Im Rahmen unserer Verprobung hat sich unser Team daran gemacht eine (nun standardisierte) Beispielapplikation zu deployen und lauffähig zu machen. Hierbei konnten wir die einzelnen Services von gridscale hands-on verproben und einiges an Erfahrung sammeln bezüglich ihrer Nutzbarkeit in einem projektähnlichen Kontext. Unsere Beispielanwendung besteht aus vier Microservices und einem Browser-Frontend. Die Services nutzen sowohl MongoDB als auch PostgreSQL als Storage und kommunizieren über Kafka bzw. REST-Schnittstellen miteinander. Die einzelnen Komponenten werden als Container Image verpackt und in einem Kubernetes Cluster deployed. Mit diesem Setup bilden wir einen typisches Anwendungsszenario ab, wie es auch in Kundenprojekten zum Einsatz kommt. Das Ziel ist es möglichst viele der benötigten Infrastrukturkomponenten über Managed Services abzudecken.
Das Cloud Angebot von gridscale im Überblick
Services & Funktionen
Im Vergleich zu den großen Hyperscalern ist das Angebot von gridscale übersichtlich und unkompliziert. In einer übersichtlichen Oberfläche können Server, Storage und Netzwerke angelegt werden. Diese können per Drag and Drop miteinander verknüpft werden und nach wenigen Minuten ist bereits der erste Cloud Server einsatzbereit. Zusätzlich zu diesen klassischen Infrastruktur-Diensten bietet gridscale auch einen Object Storage mit S3-Kompatibilität und einen Loadbalancer. Im Bild unten sieht man die Infrastruktur, die wir angelegt hatten für unsere Beispielservices.
Wirklich interessant wird es bei den Managed Services bzw. dem PaaS-Angebot, bei dem sich gridscale um die Installation und Updates kümmert und die Services auch überwacht. Angeboten werden Managed Datenbanken mit gridSQL, Redis oder Memcached mit gridStore, ein NFS-Server mit gridFS und ein Managed Kubernetes Cluster. gridscale beabsichtigt laut eigenen Aussagen das Angebot an Managed Services weiter auszubauen.
Eine Cloud – viele Anbieter
Die Nutzer der gridscale Public Cloud haben verschiedene Regionen zur Auswahl und können entscheiden, wo ihre Applikation und Server laufen sollen. Neben zwei Rechenzentren in Frankfurt, stehen weitere in Amsterdam, Wien, Luzern und Appenzell zur Auswahl. Nicht alle diese Rechenzentren werden allerdings durch gridscale betrieben. Stattdessen versucht gridscale unter dem Namen „Multi Cloud Brokerage“ das Angebot von mehreren Hosting-Providern zu vereinen. Alle Kunde der Enterprise Cloud bzw. des Hybrid Core Moduls haben die Möglichkeit am Cloud Brokerage teilzunehmen. So können sie die Kapazitäten ihres Rechenzentrums für andere gridscale-Kunden freigeben. Die gridscale Kunden profitieren so von zusätzlicher Geo-Redundanz oder können Server nah bei den Endkunden betreiben. gridscale selbst kann schnell wachsen ohne eigene Rechenzentren aufbauen zu müssen. Und auch für die Rechenzentren lohnt sich Teilnahme, da die genutzten Cloud Ressourcen natürlich kompensiert werden und so eine neue Umsatzmöglichkeit entsteht.
Eingeschränkte Funktionen für Enterprise-User
gridscale bietet die Möglichkeit Cloud-Ressourcen in verschiedene Projekte zu unterteilen. Bei der Anlage des Projekts entscheide ich mich auch jeweils für den Standort, den ich für meine Ressourcen nutzen möchte. Eine weitere Unterteilung oder Sortierung ist nicht vorgesehen, was die Abbildung von komplexeren Organisationsstrukturen ausschließt. Auch bei der Einrichtung von Zugängen und Berechtigungen stoßen wir schnell auf Grenzen. Eine granulare Zuweisung oder Berechtigungen auf konkrete Ressourcen sind nicht vorgesehen. Alle Nutzer haben Zugriff auf die gesamten Ressourcen des Accounts, es gibt lediglich die Möglichkeit zwischen einem „Read-only“, einem „Read-Write“ und Admin-Zugriff zu unterscheiden. Abhilfe kann lediglich die Enterprise Cloud schaffen, die die Verwaltung von mehreren Cloud-Accounts ermöglicht, was immerhin eine zusätzliche Ebene der Unterteilung und Berechtigung ist. Die großen Hyperscaler haben rund um das Thema Ressourcenverwaltung und Indentity & Access Management (IAM) deutliche Vorsprünge.
gridscale Marketplace
Zusätzlich zu seinen eigenen Angeboten, bietet griscale noch einen Marketplace in dem Anbieter ihre Apps, die sie auf gridscale hosten, anbieten können. So kann zum Beispiel eine Backup Automatisierung genutzt werden oder Web-Server Konfigurationen.
Welche weichen Faktoren sprechen für eine Nutzung?
Usability, User Experience und Maturity
Für Entwickler und technisch versierte Nutzer bietet gridscale eine API, die alle Funktionen des Cloud Portals abdeckt. Die API kann auch über das hauseigene Kommandozeilen-Werkzeug gscloud verwendet werden, allerdings lässt dieses Tool in der Handhabung und im Funktionsumfang einige Wünsche offen. Für eine Auflistung und Verwaltung der Cloud Ressourcen innerhalb der Kommandozeile funktioniert daher nur dann, wenn man den relevanten API-Call selbst über curl auslöst. Hierfür steht immerhin eine relativ ausführliche Dokumentation zur Verfügung.
Developer Experience
Reibungslos funktioniert allerdings die Einbindung in die beliebten Entwicklungswerkzeuge Terraform und Packer. Für beide Werkzeuge gibt es offizielle Provider, die gut dokumentiert sind und reibungslos funktionieren. Alle Ressourcen, die über das Portal verfügbar sind, können gleichermaßen auch mit Terraform angelegt werden. Für die Erstellung eigener VM-Images kann Packer verwendet werden. Die fertigen Images stehen im Anschluss als VM-Template zur Verfügung und können zur Anlage von neuen VMs genutzt werden. Unser eigenes Terraform Setup haben wir relativ einfach aufbauen können, den State haben wir dabei in einen eigenen Bucket gelegt, welcher im Anschluss von Terraform genutzt werden konnte. Auch hier ein Setup sehr nah an einigen Kundenprojekten, auf denen wir nicht überall die Enterprise- oder Cloud-Variante von Terraform nutzen.
Dokumentation, Community und Support
gridscale verfügt über eine eigene Produkt-Dokumentation, welcher leider aber nur auf Englisch zur Verfügung steht. Darüber hinaus stehen für die API sowie die Terraform Provider jeweils eine eigene API-Dokumentation zur Verfügung. Neben reinen Funktionsbeschreibungen gibt es auch eigene gridscale Tutorials, welche eine Schritt-für-Schritt-Anleitung für die häufigsten Anwendungsfälle enthält. Allerdings sind hier lediglich Klickpfade innerhalb der Anwendung dokumentiert, welche sich natürlich bei der Weiterentwicklung ändern können. Inwiefern gridscale hier immer die Dokumentation aktuell hält, könnten wir nicht nachvollziehen, für unsere Fälle war sie jedenfalls aktuell. Eine eigene Community besteht zum aktuellen Zeitpunkt (noch) nicht und auch auf den einschlägigen Seiten wie Stackoverflow sind keine Posts vorhanden.
Fazit / Ausblick
Das Angebot von gridscale besticht an vielen Stellen mit seiner Einfachheit. Die Größe einer VM kann frei angepasst werden, ohne vorher einen Blick in eine komplizierte Tabelle an vorkonfigurierten VM-Zusammenstellungen werfen zu müssen, wie es die großen Cloud-Anbeiter vorleben. Auch die Einstellungsmöglichkeiten sind auf das notwendigste beschränkt, was die Lernkurve flach und die Einstiegshürde niedrig hält. Natürlich stößt man irgendwann auf Limits, an denen man sich mehr Einstellungsmöglichkeiten wünschen würde. Für alle, die bereits bei den großen Hyperscalern glücklich geworden sind, bietet gridscale nur wenig Anreiz für einen Wechsel. Denjenigen, die sich – aus diversen Gründen – nicht für eine Migration in die Cloud begeistern konnten, bietet gridscale allerdings gute Gründe sich das Angebot näher anzusehen. Durch den Betrieb einer eigenen Private Cloud bzw. Enterprise Cloud können Datenschutzbedenken nachhaltig gelöst werden. Die Cloud im eigenen Rechenzentrum bietet sehr viel Flexibilität und Wachstumspotenzial für die Softwareentwickler, auch wenn an vielen Stellen eigene Expertise erforderlich ist. Wie eingangs erwähnt hat der französische Anbieter OVHCloud während unserer Verprobung verlautet, gridscale bis Anfang 2024 aufzukaufen, um so im Rahmen ihrer eigenen Wachstumsstrategie weitere Kundenkreise und -länder zu erschließen. Begleitet wurde dies von der Ankündigung die Services von gridscale in das Angebot von OVHCloud zu integrieren. Inwiefern das Angebot von gridscale als eigenständiger Anbieter bestehen bleiben wird oder ob ab 2024 lediglich die Marke bestehen bleibt, im Hintergrund aber die OVHCloud genutzt wird, ist zum aktuellen Zeitpunkt noch unklar. In unserer eigenen Verprobung von OVH kamen wir allerdings zum Schluss, dass der Anbieter eine sehr gute Alternative zu den Hyperscalern darstellt für Anwendugsfälle bei denen es insbesondere auf Data Residency in der EU ankommt. Wer die Vorteile von gridscale nutzen möchte, kann dies wie oben beschrieben tun, muss sich aber gewiss sein, dass sich kurzfristig aufgrund des Verkaufs einiges umstellen kann.
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